Südwestlich der Kampenwand, dem wohl bekanntesten und vielseitigen Gipfel der Chiemgauer Alpen, fristen in dessen Schatten einige kleine und weglose Gipfel ihr Dasein. Sie sind heute sicher nicht mehr ganz unbekannt und können nicht unbedingt als „Geheimtipp“ bezeichnet werden. Allerdings sind diese Gipfel wenig besucht und ihr Zugang ist teilweise ohne Pfade über Hangwiesen, durch Latschengassen und auch über einen Grat zu bewältigen.
Gemeint sind die Gipfel der Sonnwendwand, der Bauernwand und auch der Scheibenwand. Die Tour führt uns vom Priental über den Klausgraben hinauf zur Dalsenalm und weiter über die Hofbauernalm zu den beiden Gipfeln der Bauernwand und der Sonnwendwand, die beide durch eine Gratwanderung verbunden sind.
Tourensteckbrief
- Charakter:
Bergwandern (T2) - Anforderung:
Kondition, Trittsicherheit - Start/Ziel:
Wanderparkplatz Hainbach im Priental - Distanz: 14 km
- Reine Gehzeit: 4:45 h
- Höhenmeter: ↑ 930 m • ↓ 930 m
- Einkehr/Übernachtung:
Hofbauernalm
Etappen & Gehzeiten
- Hofbauernalm (2:10 h)
- Gipfel Bauernwand (2:40 h)
- Gipfel Sonnwendwand (3:10 h)
- Hofbauernalm (3:30 h)
- Wanderparkplatz Hainbach (4:45 h)
Gefangen in den Bergen
Den Wanderparkplatz bei Hainbach liegt zwischen Aschau und Sachrang im Priental. Hier fließt einer der längsten Wildbäche im bayerischen Alpenraum, die Prien. Sie entspringt am Spitzstein bei Sachrang und nach rund 32 km mündet das Flüsschen im nördlich liegenden Chiemsee. Für uns geht es von Hainbach ein kurzes Stück an der Straße entlang nach Norden und dann rechts über eine kleine Teerstraße dem Hangwald entgegen. Der folgende Wanderweg führt uns bis zur Dalsenalm durch den Klausgraben. Während uns heute im gumpenreichen Klausgraben beeindruckende und schöne Gebirgsbach- und Felswandszenen begleiten, war es um den Frieden und die Schönheit dieses Taleinschnitts in den 1940ern nicht zum Besten bestellt. Im Jahr 1941 forderte der Bürgermeister von Niederaschau eine Zuteilung von Kriegsgefangenen an, die in der Landwirtschaft unterstützen sollten, da der größte Teil der männlichen Bevölkerung bereits in den Krieg ziehen musste.
So entstanden um Aschau und im Priental Lager für Zwangsarbeiter. Ein Lager wurde bei Huben, im Klausgraben eingerichtet. Dort mussten amerikanische Kriegsgefangene hausen. Auch wurden Franzosen und Russen in der Umgebung von Aschau interniert. Die Bedingungen waren grauenvoll: Schlechte Verpflegung, unwürdige Unterbringung und Zwangsarbeit. Dabei wurde in der Behandlung der Gefangenen noch unterschieden: zwischen Russen und Gefangenen anderer Herkunft. Erstgenannte waren zu Menschen zweiter Klasse herab gestuft und waren entsprechend schlechter zu behandeln als Gefangene anderer Nationalitäten. Es wird erzählt, dass drei russische Gefangene flüchten konnten und es bis zur Haidenholzalm, unterhalb des Weitlahnerkopfes, geschafft hatten. Dort wurden sie schließlich doch vom Volkssturm gestellt. Beim Gedanken daran, verblasst die Schönheit der Natur für den Moment.
Nach gut einer Stunde verlassen wir den Klausgraben, treten durch ein Gatter auf die Dalsenalm. Betreten damit eine Kuhweide und sind ein wenig auf der Hut, die Kühe und ihren Nachwuchs nicht zu stören. Auf der Weide halten wir uns dann gleich wieder nach Links und wandern weiter bergauf, vorbei an der Dalsen Diensthütte. Bald verschwinden wir wieder im Wald und arbeiten uns dort entlang beeindruckender Felswände weiter in Richtung Hofbauernalm. Die Almhütte liegt auf 1.379 m und wird von zwei jungen Frauen bewirtschaftet: Viehwirtschaft und Almhüttenbrotzeit. Für eine Brotzeit ist es uns zu früh und so gehen wir bei der Hofbauernalm auf dem Weg Nr. 20 Richtung Kampenwand weiter. Auch hier laufen – oder besser gesagt liegen – Kühe frei herum. Der Wanderpfad führt uns an die Ruine der alten Hofbauern Hochalm vorüber. Wir finden hier nur noch wenige Mauerreste. Von dort wollen wir auf den Gipfel der Bauernwand hinauf. Nur, es gibt keinen Wegweiser, geschweige denn einen Weg oder Pfad. Wir biegen ca. 200 Meter nach der Ruine links ab und nehmen den Hang frontal. Es folgt ein steiler Aufstieg, der uns auf ein Bergwiesenplateau führt – der Schönboden.

Gratwanderung von der Bauernwand zur Sonnwendwand
Wir halten uns halbrechts und bahnen uns bald den Weg durch eine Latschengasse Richtung Gipfel. Den können wir ein wenig später nordöstlich vor uns erkennen. Der Gipfel der Bauernwand ist ein mit Latschen gesäumter Felsgipfel, den wir mit einer leichten Kletterei erklimmen. Das Gipfelplateau ist frei von Bewuchs und bietet genug Platz für die fällige Gipfelbrotzeit. Dabei schweift unser Blick zum Chiemsee im Norden, über die nahe Kampenwand im Osten, hinüber zum Kaisergebirge, den Geigelstein und über das Priental mit Spitzstein im Süden. Und noch schöner ist: Auf diesen Gipfel verirrt sich wirklich kaum ein Wanderer! Wer nun Lust verspürt, die Scheibenwand, die in direkter Nachbarschaft quasi herüber zwinkert, auch noch zu erklimmen, der verlässt die Bauernwand nordöstlich und dürfte so in ca. 20 – 30 Minuten auf dem Gipfel der Scheibenwand stehen, nach dem er einen Steig mit Abstieg und Gegenanstieg überwunden hat.
Wir machen das nicht, sondern schmausen noch ein wenig und genießen dabei den schönen Rundumblick. Tragen uns am Ende ins Gipfelbuch ein und machen uns wieder auf den Weg. Der Abstieg vom Gipfel ist die bekannte Kraxelei. Danach geht es wieder durch Latschengassen und über den Schönboden, immer Richtung Westen. Von hier aus haben wir einen wunderbaren Ausblick über das Priental. Nach ca. 600 Meter treffen wir auf die erste Felswand, die nach Norden hin abfällt. Der Pfad wechselt bald zum Steig und wir bewegen uns nun immer ein Stück unterhalb der Felskamms, der sich bis zur Sonnwendwand hinzieht. Ab und zu gelangen wir auf den Gratkamm und können auf Aschau und hinüber zum Chiemsee schauen. Zugegeben, der Steig mündet in einem Waldstück und es ist hier nicht ganz so einfach, den Weg zur Sonnwendwand zu finden. Wer die Augen offen hält, trifft auf eine unscheinbare Weggabelung mit einem Holzschild an einem Baum, das auf den nahen Gipfel der Sonnwendwand zeigt. Ein paar Minuten später stehen wir auch schon auf dem felsigen Gipfel der Sonnwendwand und schauen zurück zur Bauernwand.

Gerichtet in den Bergen
Mein Blick fällt natürlich wieder auf Hohenaschau. Die Burg wurde Ende des 12. Jahrhunderts errichtet und erfuhr über die folgenden Jahrhunderte Aus- und Umbauten im Stil der Renaissance und des Hochbarock. Hohenaschau besaß die „hohe Gerichtsbarkeit“ seit dem Mittelalter. Es konnten peinliche Befragungen, also Folter, und Todesstrafen ausgesprochen werden. Um 1535 war im Turm der Burg der Hansen Keiln inhaftiert. Er saß wegen Mordes und erwartete die Todesstrafe. Doch gelang ihm die Flucht aus dem Bergfried, dessen Mauern über zwei Meter Mauerstärke maßen. Hansen war entkommen und wurde nicht weiter verfolgt. Der Schlossherr soll dem baierischen Herzog Ludwig X. mitgeteilt haben, dass er von einer Verfolgung absehe, da er großen Respekt vor dieser Leistung der unmöglichen Flucht habe. Soviel Glück hatte der 13 jährige Philipp Schmölzer nicht. Er wurde im 18. Jahrhundert auf Hohenaschau zum Tode verurteilt, da man ihm angelastete, er habe den Opferstock der Aschauer Pfarrkirche geplündert. Beweise gab es keine, nur sein durch Folter erzwungenes Geständnis. So wurde ein Kind im Angesicht der Sonnwendwand hingerichtet. Und jetzt blicke ich von eben diesem Gipfel hinab auf den massigen Bau der Burg Hohenaschau.
Ob sie schon im Mittelalter auf dem Gipfel der Sonnwendwand ein Leuchtfeuer entfacht hatten? Heute gibt es abseits des Gipfelkreuzes eine ständige Feuerstelle. Vielleicht wird hier ja, wie auf der Kampenwand, am längsten Tag des Jahres zur Sonnenwende ein großes Feuer entfacht? Wir tragen uns ins Gipfelbuch ein, verlassen die Sonnwendwand, auf demselben Steig wie beim Anstieg und treffen auf die Weggabelung mit dem hölzernen Wegweiser. Hier gehen wir gerade aus weiter, einem Pfad durch den Wald bergab folgend. Bald treffen wir auf den Waldrand und eine Hangwiese. So steigen wir geradewegs ab und gelangen direkt zurück zur Hofbauernalm. Jetzt lohnt sich auch der Einkehrschwung und wir sitzen an der Hütte, zischen eine kühle Apfelschorle und blicken nach Süden über das Priental. Von der Hofbauernalm steigen wir über deren Versorgungsweg ab, bis wir wieder an das Gatter der Dalsenalm treffen, welches wir zu Beginn der Tour schon durchschritten hatten. Hier geht es für uns wieder durch den Klausgrabens und seine abwechslungsreiche Wasserlauf zurück ins Priental, nach Hainbach.