Der Saykogel (auch Seikogel/Seykogel) im Ötztal mit 3.360 m, liegt im südlichen Bereich des Kreuzspitzkamms, zwischen der Fineilspitze mit 3.514 m und der Kreuzspitze mit 3.455 m. Der Kreuzspitzkamm zieht sich von Vent bis über die Grenze zwischen Tirol und Südtirol. Zu beiden Seiten erstrecken sich malerische Täler: das Rofantal im Nordwesten und das Niedertal im Südosten. Eine wichtige Rolle spielt der Saykogel in diesem Teil des Ötztals deshalb, weil er die einzige direkte, gletscherfreie Passage zwischen dem Hochjoch Hospiz oberhalb des Rofantals und der Martin-Busch-Hütte im Niedertal bietet.
Bereits in der Steinzeit war das Ötztal besiedelt. Der wohl bekannteste Zeitgenosse im Ötztal war Ötzi – die Mumie im Eis. Der steinzeitliche Jäger soll ca. 3.500 v. Chr. im Ötztal verunglückt sein. Gefunden hat man den Burschen zwischen Similaun und Fineilspitze, nicht weit vom Saykogel. Die tatsächlich prägende Besiedelung des Ötztals begann ca. im 5. Jahrhundert mit den Bajuwaren. Die älteste bekannte urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1150. Dabei wurde Seldon (Sölden) im Ezital (Ötztal) genannt. Die Feudalherrschaft im Ötztal führte sog. Schwaighöfe ein, die ausschließlich auf Viehwirtschaft ausgerichtet waren. Diese Höfe hatten an die Lehensträger den Grundzins in Naturalien zu entrichten. Gegen Ende des Mittelalters, ca. ab 1450, wurden die meisten dieser Schwaighöfe aufgegeben. Als ganzjährig bewirtschaftete Höfe überlebten jedoch einige der Höfe bis heute: z.B. die Rofenhöfe bei Vent.
Der Alpinissmus im Ötztaler Hochgebirge hielt ab Mitte des 19. Jahrhunderts Einzug. Der „Gletscherpfarrer“ Franz Senn war seit 1860 Pfarrer in Vent, das von Gletschern umschlossen war. Er trug maßgeblich dazu bei, dass die Region aplin erschlossen wurde. In Vent, bei der kleinen Kapelle, beginnt auch unserer kleine Venter-Runde, die uns entlang des Rofantals, über den Saykogel und entlang des Niedertals zurück nach Vent führen wird.
Sehenswürdigkeiten
Rofenhöfe • Kapelle am Ochsenleger • Der Hohle Stein
Tourensteckbrief
- Charakter:
Anspruchsvolles Bergwandern (T3) • Gipfelüberschreitung: Anspruchsvolles Alpinwandern (T5) - Anforderung:
Gute Kondition, sehr gute Orientierung, Trittsicherheit, gute (Hoch-)Alpine Erfahrung - Start/Ziel:
Parkplatz an der Kapelle in Vent - Distanz: 26 km
- Reine Gehzeit: 8:45 h
- Höhenmeter: ↑ 1.800 m • ↓ 1.800 m
- Einkehr/Übernachtung:
Hochjoch Hospiz • Martin-Busch-Hütte
Einzelübersicht / Tag
(→Distanz, ↑Aufstieg, ↓Abstieg, ⊕reine Gehzeit)
- Tag 1:
→ 8,5 km • ↑ 605 HM+ ↓ 60 HM • ⊕ 2:15 h - Tag 2:
→ 9 km • ↑ 1.085 HM+ ↓ 1.010 HM • ⊕ 4:10 h - Tag 3:
→ 8,5 km • ↑ 110 HM+ ↓ 700 HM • ⊕ 2:20 h
Tag 1 – Begegnung auf dem Hochjoch Hospiz
Der Parkplatz an der kleinen Kapelle in Vent ist unser Ausgangspunkt zum Saykogel und hat zwei Seiten: Der größere, geteerte Teil gehört zur Wildspitzbahn und ist kostenpflichtig. Fährt man daran vorbei, ein kurzes Stück den Hohlweg entlang auf die kleine Kapelle zu, kommt man an den kleinen Kiesparkplatz: Dieser ist gebührenfrei. Von dort halten wir auf den BARTEB’NE Wanderweg und auf die Rofenhöfe zu. Dieser Künstlerweg der Bildhauer ist eine willkommene Alternative zur Straße, die auf der anderen Seite der Rofenache zu den Rofenhöfen führt. Die Rofen Ache überqueren wir an einer stählernen Hängebrücke. Eindrucksvoll hat sich die Ache eine Schlucht in den Fels geschliffen. Schließlich stehen wir vor den Rofenhöfen (2.025 m). Erstmals wurde der Rofenhof in einer Urkunde von 1280 erwähnt. Einer Sage nach soll „Friedl mit der leeren Tasche“ hier Mitte des 15. Jahrhunderts auf seiner Flucht nach Meran Unterschlupf gefunden haben, als er nach dem Konzil in Konstanz 1415 von Kaiser Sigismund geächtet wurde. Tatsächlich floh Friedrich IV. aber über den Reschenpass nach Meran. Sein Beiname „mit der leeren Tasche“ wurde ihm früh von seinen politischen Gegner gegeben, machte ihn allerdings populär. Friedrich IV. starb auch keinesfalls als armer Mann!
Richtung Süden geht es über eine Versorgungsstraße weiter, die an der Talstation des Versorgungsliftes der Vernagthütte endet. Ein paar junge Haflinger begrüßen uns neugierig. Über einen Pfad gelangen wir am Platteibach vorüber und bald an den Cyprian-Granbichler-Steig. Ein kleiner Steig, dessen Beginn von einer Spitzhacke markiert wird. Cyprian Granbichler war der Bergheld, der u.a. 1865 mit Franz Senn die Erstbesteigung der Kreuzspitze im Ötztal schaffte. Jetzt, auf diesem Steig, kommt bei mir erstmals das langersehnte Hochgebirgs-Feeling auf. Ein Moment der alpine Romantik, der nur am nächsten Tag auf dem Saykogel übertroffen wird. Schmunzeln muss ich an einer Brücke, die ihre besten Tage wohl hinter sich hat. Zumindest macht sich der DAV die Mühe und weist uns mit einem Schild darauf hin, dass die Brücke über den Vernagtbach nicht mehr tragfähig genug wäre und lieber einzeln überquert werden solle. Das machen wir auch und haben einen Heidenspaß dabei. Aber damit nicht genug: Ich habe das zweifelhafte Vergnügen Wacholderbeeren frisch vom Busch essen zu dürfen. Nicht gerade das, was ich mir für die Tour zum Saykogel vorstelle. Die Wachholderbüsche jedoch wachsen sogar hier auf über 2.000 m. Sie sind äußerst vitaminhaltig und von sehr außergewöhnlichem Geschmack. Anjte pflückt sich eine handvoll davon und isst jeden Tag eine. Ich finde die Beeren ja schon eher … leckerer an Wildgerichten als pur im Mund! Dann findet Antje noch Preiselbeeren. Die schmecken schon besser und sind auch sehr gesund. Mir schwebt dabei aber eher wieder ein Wildbraten dazu vor.

Und während ich so an der letzten Preiselbeere herumkaue, beginnt der finale Anstieg zu unserem ersten Etappenziel auf der Tour zum Saykogel: das Hochjoch Hospiz. Der Pfad wird langsam steiler und wir sehen bald die Hütte am Berghang stehen. Als wir näher herankommen, bemerken wir unterhalb des Hochjoch Hospizes eine kleine Hütte. Eine Schäferhütte, die den Sommer über Herberge für Schäfer aus dem Schnalstal und ihren treuen Hunden ist. Ein besonderer Ort, auf den wir zuwandern. Davon erfahren wir erst am Abend im Hospiz, als wir zusammen mit dem Filmteam von Dr. Sebastian Marseiler an einem Tisch ein wirklich sehr schmackhaftes Menü genießen dürfen. Eine stärkende Graupensuppe mit Gemüse, Gulasch mit Nudeln und Gemüse. Selten ein so saftiges und zartes Fleisch gegessen. Schon gar nicht auf einer Hütte auf über 2.400 m. Der Hüttenwirt geht dann auch noch einmal herum und bietet einen Nachschlag an. Beim Nachtisch, einem Kirschkuchen, habe ich dann das Gefühl, ich müsse platzen. Davon hält mich eigentlich nur noch die sehr interessanten Ausführungen von Sebastian ab, der uns noch viel über die Transhumanz im Ötztal erzählt. Mit vollem Bauch und dem Gedanken an den Gipfel des Saykogel schlafen wir ein.
Bilder Tag 1
Tag 2 – Über den Saykogel ins Niedertal
Wir verlassen das Hochjoch Hospiz nach einem üppigen Bergsteigerfrühstück und steigen ca. 100 HM ins Rofental ab. Passieren dabei einen kurzen Steig und am tiefsten Punkt des Abstiegs eine Brücke. Die Brücke liegt auf ca. 2.290 m, unser tiefster Punkt heute. Der höchste wird der Gipfel des Saykogels sein, mit 3.360 m. Der Aufstieg führt uns aber sehr schnell aus dem kalten Schatten auf das Arzbödele, das schon in der Sonne liegt. Entlang der Rofenbergköpfe führt uns der Pfad bis zur Abzweigung, die uns nach links zu einer Brücke leitet. Damit verlassen wir den Pfad entlang der Rofenbergköpfen, der zur Schönen Aussicht weiterführt. Der Aufstieg zum Saykogel ist auf dieser Route anfangs eine leichte Bergtour. Wir müssen nur die Rot-Weiß-Markierung berücksichtigen, die in Bodennähe zu finden ist. Der Pfad führt lange Zeit in sanftem Zickzack steil bergauf. Auf ca. 2.900 m erreichen wir ein Plateau und die Tatsache, dass wir die letzten Stunden keine Menschenseele getroffen haben und dass es hier oben mucksmäuschenstill ist, wird uns erst jetzt bewusst. Wir nutzen die Gelegenheit und legen eine Pause ein. Sitzen einfach nur auf einem Felsblock, blicken über die Bergketten vor uns und weit darüber hinaus. Kein Geräusch traut sich diesen Augenblick zu stören, keines. Plötzlich höre ich ganz nah an meinem Ohr ein Geräusch, als ob jemand eine handvoll Cornflakes in der Hand zerdrückt. Da merke ich, dass ich gerade ein Schokokeks verputze. Ich mache das Geräusch. Und mir wird bewusst, wie sehr die Stille uns einhüllt: unglaublich.

Wir befinden uns auf den letzten 300 HM. Der Weg ist inzwischen unscheinbarer geworden. Farbmarkierungen sind hier oben spärlich gesät. Dafür leiten uns Steinmandl den Berg hinauf. Gar nicht so einfach, die Steinhaufen im Auge zu behalten, während wir immer wieder begeistert zur Fineilspitze und zum Hauslabkogel rüberschauen müssen. Wolken werden von den Gipfeln zerteilt und hängen in Fransen am Berg. Schließlich treffen wir auf drei Wanderer, die am Morgen vor uns das Hochhoch Hospiz in Richtung Saykogel verlassen hatten. Sie haben kehrt gemacht, da auf dem Gipfel bereits zuviel Schnee sei. Antje und ich hadern einen Moment und legen uns schnell einen Plan B zurecht: Wenn wir nicht rüberkommen zur Martin-Busch-Hütte, dann steigen wir ab und versuchen unser Glück an der Schönen Aussicht. Wir verabschieden uns von den dreien und steigen weiter im Zickzack bergauf. Durch Geröll und zwischen kleinen Felswänden hindurch. Kein Problem. Kein Problem bis wir an die letzten 150 HM rankommen. Das Gelände wird steiler und auch ausgesetzter. Es gibt zwei Stellen, an denen wir unsere Hände zu Hilfe nehmen müssen: Schwierigkeitsgrad I. Wichtiger: Wir ziehen unsere Halbsteigeisen an. Denn der Schnee hier oben ist zumindest schon so üppig, dass das Profil unserer Bergstiefel dicht macht und wir kaum mehr Halt finden. Mit den Grödeln geht es wesentlich besser und auch viel sicherer! So bewältigen wir den Westgrat, umrunden den Gipfel an dessen Südseite und treffen auf einen kleinen Sattel mit Blick ins Niedertal. Hier laden wir unsere Rucksäcke ab und ich erklimme die letzten 60 HM auf den Gipfel alleine. Da gibt es noch eine Schlüsselstelle in der ersten Hälfte, aber dann geht es problemlos auf den höchsten Punkt des Saykogels.
Hinweis: Es ist leichter und ratsam, den Saykogel vom Hochjoch Hospiz aus in Richtung Martin-Busch-Hütte zu überqueren. Vor allem wenn Schnee liegt!
Da stehe ich endlich auf dem Gipfel des Saykogels: mein höchster Gipfel bisher – 3.360 m. Hier zu stehen, auf einem sichelförmigen Gipfel, den nur ein kleines Steinmandl markiert, ist atemberaubend schön. An der Nordseite der Kreuzferner, direkt im Süden der Hochjochferner: Der Saykogel als felsige Gletscherbrücke. Wolken rahmen meinen Blick in die Ferne ein. Im Westen sehe ich ins Rofental, im Osten ins Niedertal. Wenn ich mir vorstelle, dass der Blick des Saykogel seit tausenden Jahren auf die immer wiederkehrenden Schafskolonnen ruht. Ein Hirte aus Fels, der sich in unendlicher Geduld die Schicksale des Lebens weit unter ihm betrachtet. Ich fühl mich in diesem Moment zugleich so winzig und groß wie nie. Der Abschied fällt mir ein wenig schwer, aber es wird Zeit für den Abstieg. Bei Antje angekommen greife ich mir einen Happen zu essen und schließlich machen wir uns an den Abstieg zur Martin-Busch-Hütte. Lange bahnen wir uns den Weg durch schrofiges Gelände, den wachenden Blick des Saykogels im Nacken. Schon früh blicken wir dabei auf die Martin-Busch-Hütte. Sie wirkt so winzig, dass ich denke, es könne nur eine Schäferhütte sein. Nach den Schrofen folgt Blockgestein, dass es den Abstieg nicht gerade erleichtert. Mit einigem Fleiß verlassen wir dann auch irgendwann den Blockgesteinpfad und wandern gemütlich über Hangwiesen bergab. Werden dabei noch von ein paar Murmeltieren begrüßt. Wir treffen schnell auf den Talweg: den E5, der gut frequentiert ist. Genau wie die Martin-Busch-Hütte, in der wir den Abend bei einem Zirbenschnaps beschließen und sehnen uns eigentlich nach der heimeligen Atmosphäre des Hochjoch Hospizes.
Bilder Tag 2
Tag 3 – Über den Hohlen Stein nach Vent
Auf der Martin-Busch-Hütte am E5 geht es richtig zu. Viele Bergsteiger und Alpenüberquerer machen hier Station. Wenige gehen hier über den Saykogel ins Rofental. Für die Schäfer ist hier den Sommer über Kost und Logis frei. Sogar die Kleidung wird für sie kostenlos gewaschen. Nach Vent geht es über den Jungschützenweg – mehr Versorgungsstraße als Weg – geradewegs durchs Niedertal. Ein gemütlicher Spaziergang erwartet uns am letzten Tag. Wir winken dem Saykogel zum Abschied. Er blick auf uns in einem leichtrosa-orangefarbenen Morgenrock herab. Einige Zeit später passieren wir die Schäferhütte am Jungschützenweg. Fortunat Gurschler hat hier seine 14 Jahre als Schäfer zugebracht. Er mied sehr bald die Martin-Busch-Hütte und deren Annehmlichkeiten. Zu viel Bergtourismus, zu wenig Ruhe. Der Bergtourist wolle halt immer Fotos mit ihm haben. Der Fortunat wolle aber lieber seine Ruhe. Für sich, seinen Hund und seine Schafe. Schwierig, wenn die Hütte direkt am E 5 steht. Oder sollte ich besser sagen: Wenn der E5 plötzlich an die Hüttentür klopft?
Ein kurzes Stück später sehen wir rechter Hand die sog. Schneebrücker: Eine Altschneedecke, die über einige Meter den Niedertalbach wie ein Dach überspannt und nicht mal im Hochsommer verschwindet. Ein wenig später treffen wir auf die Kapelle am Ochsenleger. Es geht die Sage, dass einst eine fremde Frau hier oben bei „Alt-Vent“ Obdach suchte, aber von den hartherzigen Hirten abgewiesen wurde. In derselben Nacht gebar sie ein Kind und gleich am folgenden Tag machte sie sich mit dem Neugeborenen auf, diesen Ort zu verlassen. Aber nicht ohne über die fruchtbare Alm eine Fluch zu sprechen. Heute kommen sogar ab und an Wallfahrer von Vent hier herauf.

Der Saykogel ist schon fast vergessen, da kommt kurz vor Vent der Abzweig zum Hohlen Stein zu machen. Quasi ein Sommerlager der Menschen zu Ötzis Zeiten. Funde lassen darauf schließen, dass hier bereits in den Sommermonaten vor tausenden Jahren Menschen ihr Lager aufgeschlagen hatten und ihre Ausrüstung und Waffen auf Vordermann brachten. Möglicherweise sogar Ötzi selbst? Von der Rekonstruktion des Lagers am Hohlen Stein, die vor einiger Zeit angestrengt wurde, ist heute nichts mehr zu sehen. So vergänglich muss es alle Zeit schon zugegangen sein. Vom Hohlen Stein könnte man weiter auf das gut 2.400 m hohe Hörnle wandern. Wir steigen aber nach Vent ab und sind in kurzer Zeit zurück am Parkplatz: Glücklich und zufrieden über diese wunderschöne und eindrucksvollen Tour. Und Eindrücke haben wir diesmal wirklich viele sammeln dürfen.
Bilder Tag 3
Schaftrieb im Ötztal – Die Transhumanz*

Eine Jahrtausende alte Tradition, mehr noch, ein immaterielles Kulturerbe (seit 2011), das ist die sog. Transhumanz. Ein besonderer Schaftrieb zwischen dem Schnalstal, dem Vinschgau und dem Ötztal. Bis zu 80 Südtiroler Schäfer/innen aus dem Schnalstal und Vinschgau treiben ca. 5.000 Schafe in das Hoch- und Niedertal der Ötztaler Alpen bei Vent (Tirol). Die teils gefährlichen Routen (Schnee, Eis und Gletscher) führen über das Timmelsjoch (2.494m), das Hochjoch (2.885m) und das Niederjoch (3.017m). Sie gelten als die einzigen Schaftriebe, die auf ihrem Weg zum hochgelegenen Weideland auch eine nationale Grenze überschreiten: die italienisch-österreichische Grenze. Dabei werden zwei inzwischen gefährdete und heimische Schafrassen überführt: Das Tiroler Bergschaf und das Tiroler Steinschaf. Und tatsächlich kommt dabei dem Saykogel die Rolle des Hirten aus Fels zu, denn er quasi ist jahrtausendalter Beobachter und Zeuge dieses Schaftriebs.
Was genau ist Transhumanz? Im Frühjahr, wenn es an den Schaftrieb im Schnalstal geht, dann ziehen sich die Schäfer ihre blauen Schützen und ihren Hut mit einem „Büschele“ aus Enzian oder Alpenrose an. Sie selbst sprechen vom „Auftreiben“ oder „Übertreiben“.Im ersten Grauton des Morgens beginnt der Auftrieb, voraus ein Hirt mit „löck, löck, löck!“, dahinter die erfahrene Eïb, das Muttertier (die Görr/e), die „Schellerin“, die den Weg schon kennt, zögernd beim Losgehen gefolgt von den ersten Tieren der Herde. Görr(e), Gerr“ heißt das Mutterschaf im Tiroler Dialekt und die „Ḙïb“ oder „Lempreïb“. Sie kennt die Wege und ihr folgen die Jungen. Kaum auf der Sommerweide angekommen, weiß sie wohin und hat über Jahre oft dasselbe Weiderevier. Wenn es Zeit ist zum Lämmern, sondert sie sich ab und sucht einen ruhigen Platz. Nach 5 Monaten kommt das neue Lamm auf die Welt und kann nach 10 Minuten bereits stehen. Nach ein paar Tagen rennt es bereits. Gefahr für die kleinen Lämmer sind der Rabe oder neuerdings der Lämmergeier. Zwei sehr gefährliche Jäger, wobei man sagt, dass der Rabe der gemeinere Jäger sei. Hackt er erst dem Lamm die Augen aus, um dann in Ruhe den Rest zu erledigen.

Drei Monate weiden die Schafe im Ötztal – auch nah am Saykogel. Hirt und Hund sind nicht nur in dieser Zeit eng verbunden. Den ganzen Tag unterwegs, um nach den Schafen zu sehen, bekommt am Abend zuerst der Hund zu fressen, dann erst isst der Schäfer selbst. Der Hund ist der treue, verständige Gefährte mit dem der Schäfer manchmal redet wie mit einem Menschen. Wenn dieser vierbeinige Gefährte dann einmal hinübergeht zu den Ewigen Schafherden, kann es gut sein, dass ein Augenpaar nass wird. Der Schäfer kennt alle seine Tiere, ihr Wesen und ihren Charakter, ist ihr Beschützer und notfalls ihr Arzt. „Schäfer sind Wissende, sind Weise“, sagt Hans Haid. Sie wissen um die wilden Wetter am Berg, von Gefahren, gefährlichen Stellen und von Krankheiten. Und doch kann er nicht immer ein Unglück verhindern. Wie 1979 nahe der Similaunhütte: In einem Schneesturm kamen rund 70 Schafe ums Leben. Für den Hirten gibt es über den Sommer nur seine Tiere und ihn selbst. Neuerdings auch viele Bergtouristen. Von einem Schäfer und seinen 14 Sommern im Neidertal, nahe der Martin-Busch-Hütte, kann man im neuen Jahrbuch des DAV lesen: Berg 2016 – Seite 180. Fortunat Gurschler: Schäfer im Ötztal und nun Bergbauer im Schnalstal. Ein beeindruckender und nachdenklich stimmender Bericht!
Der Schaftrieb am 13. September 2015 führt eine Herde mit ca. 1.700 Schafen und Lämmern vom Hochjoch Hospiz über die Schöne Aussicht zurück ins Schnalstal. Am Tag vorher treiben die Schäfer ihre Tiere den ganzen Tag zusammen. Neue Lämmer werden geboren, die tatsächlich schon am nächsten Tag die lange und gefährliche Reise antreten. Unterwegs wird wieder ein Lamm geboren. Doch das trägt der Schäfer schließlich sicher über den Pass und den Schnee, zurück nach Südtirol. Dieses mal geht alles gut.
* Vielen Dank an Dr. Sebastian Marseiler für die Bereitstellung und die freundliche Genehmigung, seine Texte zur Transhumanz für diesen Artikel auszugsweise nutzen zu dürfen.