Der Sage nach soll die Benediktenwand auf vier mächtigen Goldsäulen ruhen. Einst hat ein junger Bursche aus Wackersberg bei Bad Tölz sogar einen Goldbrunnen auf dem Berg entdeckt. Doch als er einen Freund hinzurief, war der Goldbrunnen wieder verschwunden.
Bis heute jedenfalls hat niemand die Schätze bergen können, die in dem Berg ruhen. Liegt wohl daran, dass der Zugang nur zu einer ganz bestimmten Tageszeit möglich ist. Wir machen uns vom Brauneck auf den Weg, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Tourensteckbrief
- Charakter:
Anspruchsvolles Bergwandern (T3) - Anforderung:
Gute Kondition, Orientierung, Trittsicherheit, Alpine Erfahrung - Start/Ziel:
Bergstation Brauneck Bergbahn - Distanz: 11 km
- Reine Gehzeit: 5:00 h
- Höhenmeter: ↑ 1.010 m • ↓ 1.010 m
- Einkehr/Übernachtung:
Strasser Alm • Tölzer Hütte • Alte Mulistation (a. d. Talstation)
Etappen & Gehzeiten
- Gipfel Vorderer Kirchstein (0:00 h)
- Gipfel Latschenkopf (0:00 h)
- Achselköpfe (0:00 h)
- Gipfel Benediktenwand (0:00 h)
- Bergstation Brauneckbahn (0:00 h)
Bis(s) zur Brotzeitspitze
Das Brauneck ist wolkenverhangen. Wir zaudern ein wenig, ob wir überhaupt in den Berg gehen sollen. Aber nun sind wir schon mal da. Oben, auf dem Gipfel des Brauneck angekommen, scheint es etwas aufzureißen. Und solange noch Gleitschirmflieger auf einen Start hoffen, bleibt auch uns Hoffnung auf einen guten Bergtag.
Wir lassen den Startplatz hinter uns und steuern auf das schon fast mystische Schauspiel von Gipfeln und Wolken Richtung Latschenkopf zu. Eine Gedenktafel an ein Blitzschlag-Opfer gewinnt für einen Moment unsere Aufmerksamkeit. Dann treibt es uns weiter und schon bald stehen wir auf dem Gipfel des Vorderen Kirchsteins und schießen ein paar Fotos, während unter uns die Wolken zuziehen und Mensch und Weg verschlingen.
Den Latschenkopf lassen wir dann links liegen. Heute scheint der Tag der Bergjugend zu sein, denn immer wieder treffen wir auf Gruppen von Jugendlichen, die über die Bergkämme wandern. Sie bevölkern auch den Latschenkopf. Kein Platz für uns und mein Magen knurrt schon vernehmlich. Unterhalb des Latschenkopfs, nach vielen Latschen und einer felsigen Hohlgasse, ein Stück über die Wiese, gelangen wir zu einem Aussichtspunkt mit zwei Felsen. Grade richtig, um darauf zu sitzen und den Ausblick zu genießen. Wir packen die Brotzeit aus. „Das ist die Brotzeitspitze“, meint Oli und steckt sich eine Cocktail-Tomate in den Mund.

Kurzbesuch auf der Benediktenwand
Noch nie bin ich solange hinter einer Frau hergelaufen. Noch nie bin ich einen Weg in der Hälfte der Zeit zurückgelaufen. Diese Erkenntnis habe ich zumindest noch nie vorher erlangt. Mit sattem Magen kraxeln wir dann über die Achselköpfe und trotten die ganzen schmalen Stellen hinter einer Schnecke her. Naja, nicht im Sinne von „feschem Madl“. Eher im Sinne von „lahmer Krücke“. Aber jeder hat sein Tempo und schließlich lässt sie uns auch bald vorbeiziehen.
Wir treffen noch viele Leute auf dem Weg zur Benediktenwand und auch auf dem Rückweg. Die Rast auf der Benediktenwand fällt kurz aus. Ein Blick auf die Uhr und das Wetter drängen uns zum schnellen Aufbruch. Wir überholen noch einige junge Leute und uns kommen auch immer noch Bergwanderer entgegen. Manche haben so ihre Probleme: Durchfall, Höhenangst, grauenvolle Singstimme. Ist schon kurios, was manchmal unterwegs passiert.
„Oh oh, jetzt wird’s zappenduster“, sagt Oli hinter mir. Es fängt an zu regnen, die Sicht ist ziemlich schlecht geworden und in unserem Rücken beginnt Donner zu grollen. Noch nie bin ich im Gebirge in ein Gewitter geraten, denk ich mir und stehe mit Oli plötzlich an einem unbekannten Pfadabzweig irgendwo in den Achselköpfen. Wir finden den richtigen Weg nicht mehr. Unangenehm, sehr unangenehm. Die schlechte Sicht macht die Orientierung auch nicht leichter. Nach einigem hin und her verlassen wir uns auf Oli’s Spürsinn, folgen dem Steig nach oben und finden zum Glück den markierten Weg wieder, dem wir jetzt zügig folgen.

sehr naß und ungemütlich auf dem Rückweg.
Das dicke Ende
Wir sind bereits in unseren Regenklamotten eingepackt. Meine Kamera ist längst im Rucksack verstaut und wir beeilen uns sehr, zurück zum Brauneck zu gelangen. Das ständige Blitzen und Donnern in unserem Rücken spornt uns zusätzlich an, die Beine in die Hand zu nehmen. Als wir dann endlich die Stie-Alm erreichen, kommen uns ein paar Jungs entgegen, die noch auf den Gipfel der Benediktenwand wollen – bei dem Gewitter. Wir können sie nicht von ihrem Vorhaben abbringen und sie ziehen weiter bergauf.
Oli und ich sind jedenfalls froh, endlich auf einem Forstweg gehen zu können. Jetzt haben wir es leichter und kommen schneller voran. Erreichen bald die Tölzer Hütte, die wir umrunden und über freiem Feld die Zielgerade zur Bergstation der Brauneckbahn erreichen. Bevor wir das Feld verlassen können, fetzt es uns noch einen Blitz um die Ohren. Viel zu nah für meinen Geschmack und der darauf folgende Donner viel zu laut. Und gleich darauf blitzt und kracht es noch mal ordentlich hinter uns. Jetzt ist mir wirklich mulmig so kurz vor der sicheren Bergstation der Seilbahn.
Wir sind auf dem Forstweg zurück und können die Bergstation schon sehen. Dort angekommen stehen wir unter einigen nassen und abgekämpften Bergwanderern und alle sind wir froh, jetzt im Trockenen zu stehen. Es ist kurz vor 17:00 Uhr und zurück haben wir nur die Hälfte der Zeit des Hinwegs gebraucht: Wow, es geht doch nichts über eine nachhaltige Motivation. Nach einer knappen halben Stunde fährt auch die Seilbahn wieder: Das Gewitter ist vorüber. Wir sitzen in der Kabine und sehen in der Ferne die Gewitterfront weiterziehen.
Unten angekommen suchen wir im Auto ein paar trockene Sachen zum wechseln. Und wenige Augenblicke später stehen ein Teller mit dicken Fetzen Kaiserschmarren und ein kühles Weißbier vor uns. Eine ungewöhnliche Kombination, aber eine Wohltat für Leib uns Seele nach dieser Hetzjagd durch die Berge. Wir sind in dem Lokal neben der Talstation. Ein paar Gabeln später sind wir uns einig: Der Mensch hat während eines Gewitters nichts auf oder zwischen den Gipfeln der Berge zu suchen. Schon gar nicht, wenn der Wetterbericht eindeutig ist. Wieso wird im Sommer das Wetter nicht ernst genommen und im Winter der Schnee als Bedrohung empfunden? Darüber sollten wir mal nachdenken. Und noch was: Benediktenwand, wir kommen wieder!