Zum Hopfensee im Allgäu – auf den Spuren von Konrad Zuse

Im Allgäu läuft man ja fast schon Gefahr, einer Reizüberflutung zum Opfer zu fallen, geht es um Berg, Burgen, Outdoor Erlebnisse. Hochvogel, Rote Flüh, Nagelfluhkette, sind den Bergsteigern sicher ein Begriff. Neuschwanstein, Falkenstein, Hohenfreyberg und Eisenberg dürfte den Burg- und Schlossbegeisterten einiges sagen. Und auch die vielen Seen wie Forggensee, Weißensee und Rottachsee sind beliebte Ziele für Tagesausflüge.

Wenn ich Euch nun frage, ob ihr den Allgäuer Bier und Käse Wanderweg kennt, ob ihr schon mal am Hopfensee unterwegs wart oder ob ihr gewußt habt, dass Konrad Zuse die Grundlage der Deutschen Computerindustrie in Hopferau im Allgäu gelegt hat, was würdet ihr dann sagen? Auf meiner heutigen Tour werde ich Euch dazu einiges erzählen und auch wieder neues aus der Allgäuer Burgen- und Schlösserschmiede vorstellen.

Tourensteckbrief

  • Charakter:
    Wandern (T1)
  • Anforderung:
    Kondition
  • Start/Ziel:
    Parkplatz in Speiden a. d . Kirche
  • Distanz: 14,5 km
  • Reine Gehzeit: 3:30 h
  • Höhenmeter: ↑ 440 m • ↓ 440 m
  • Einkehr/Übernachtung:
    Sennerei LehernSchloss Hopferau • Kössel Bräu

Etappen & Gehzeiten

  • Hopfensee (1:15 h)
  • Burg Hopfen (1:50 h)
  • Schloss Hopferau (3:00 h)
  • Parkplatz in Speiden (3:40 h

Der Allgäuer Bier und Käse Wanderweg

Die Tour zum Hopfensee starte ich bewusst in Speiden. Ein Ortsteil von Eisenberg, der am Fuße der Burgruine Eisenberg, neben dem gleichnamigen Ort, liegt. Die Burgruine gehört zu dem bekannten Burgenpaar Hohenfreyberg und Eisenberg. Wer jetzt auf die beiden Burgen neugierig ist, dem empfehle ich meine Schneeschuhtour auf das Drachenköpfle und zu den beiden Burgruinen. Meine heutige Tour hingegen führt mich Richtung Osten zum Hopfensee, auf die Burgruine Hopfen und auf dem Rückweg am Schloss Hopferau vorbei. Auch im Winter eine lohnende Wanderung, die je nach Schneelage auch mit Schneeschuhen bewältigt werden darf. Bereits die ersten knapp drei Kilometer wandere ich den Bier und Käse Wanderweg entlang. Dieser startet in Speiden am Maria Hilfer Sudhaus und endet nach ca. 40 Minuten Gehzeit an der Sennerei Lehern. Unterwegs gibt es fünf Stationen, an denen ausführlich auf Infotafeln über alles das was mit der Bierbraukunst und der Sennerei im Allgäu zu tun hat, berichtet wird. So erfahre ich, dass Wilhelm IV. Herzog von Bayern am Georgitag 1516 in Ingolstadt die heute noch gültige und auch älteste Lebensmittelbestimmung verabschiedete, in dem er verkündete, dass ab sofort nichts anderes als Gerste, Hopfen und Wasser beim Bierbrauen verarbeitet werden dürfe: Das deutsche Reinheitsgebot für das Bierbrauen war geboren.

Der Hopfensee mit seiner Burgruine Hopfen und auch das Schloss Hopferau ist zwar gar nicht weit von Speiden, also wenn es nach der Luftlinie geht. Aber der Weg ist zu spannend, als das ich einfach nur „durchrauschen“ will. Kurz nach Speiden geht es an einem Gehöft über eine kleine Holzbrücke, über den Doldener Bach, hinein in ein Waldstück. Der Wald ist schnell durchquert und ich finde mich auf einem offenen Feldweg wieder, der nach Süden hin bald ein winterliches Panorama der Allgäuer Alpenkette freigibt. Die Gipfel sind teils wolkenverhangen, die Felder mit einer dünnen Schneeschicht überzogen und die Luft klar und kalt. Man kann im Januar nicht immer Sonne erwarten. Das ist eben der Winter im Allgäu: In jedem Fall immer stimmungsvoll – finde ich. Und so treffe ich schnell auf weitere Infotafeln des Bier und Käse Wanderwegs. Eine am Bienenhaus, die über Hopfen, Hefe und auch über die Allgäuer Milch berichtet. Die nächste Tafel ist an einem Heustadl angebracht und erzählt von Gerste, Malz und Wasser, sowie von der Käseherstellung im Allgäu: Es gibt tatsächlich über 400 Käsesorten allein in Bayern – Wahnsinn. Bis zum Ende des Bier und Käse Wanderwegs an der Sennerei Lehern habe ich einen sehr aussichtsreichen und weiten Bogen Richtung Hopfensee geschlagen. Einen Blick auf Hopferau und das Schloss Hopferau konnte ich bereits vor der Ankunft in Lehern werfen. Erreichen werde ich das Schloss aber erst gegen Ende der Tour. An der Sennerei angekommen stelle ich fest, dass sie leider nicht offen hat. Dort wäre nicht nur Käse zu kaufen und zu verkosten, es gibt auch die Möglichkeit einer Besichtigung der Schaukäserei. Nur eben nicht jetzt im Moment.

Die Allgäuer Alpen in Wolken: Vor uns Tegelberg und Säuling. | Hopfensee im Allgäu
Die Allgäuer Alpen in Wolken: Vor uns Tegelberg und Säuling.

Vom Hopfensee nach Hopferau

Von der Käserei im Ortsteil Lehern geht es nun auf direktem Weg zum Hopfensee. Dabei überquere ich die breite Staatsstraße und wandere bis zum Hopfensee immer wieder durch Ansammlungen von Bauernhöfen. Erst bei Lehern, später bei Hinterberg und schließlich bei Reinertshof. Allein auf diesem kurzen Stück zum Hopfensee stelle ich fest, dass es sehr sehr viele Angebote zu „Ferien auf dem Bauernhof“ gibt. Find ich Klasse, gerade für Kinder! Näher kann man Land und Leuten kaum kommen. Bei Reinertshof stehe ich quasi auf einer Anhöhe und blicke hinüber zum Hopfensee, an dessen nördlichen Ufer der Ort Hopfen am See und darüber auf einem weitläufigen Hügel die Burgruine Hopfen liegen. Hinter dem Hopfensee kann ich jetzt den Tegelberg und den Säuling klar und deutlich sehen. Die Wolken geben die beiden Gipfel für einige Augenblicke frei. Unterhalb des Säulings kann ich das Schloss Neuschwanstein erkennen. An diesem grauen Januartag ist es anfänglich fast nicht auszumachen. Aber mein geschultes Burgenauge hat einen Blick für sowas. Von Reinertshof zum Hopfensee brauche ich nicht lange. Nach ca. einem Kilometer stehe am Ufer des Hopfensees und lege meinen Rucksack auf einer Bank am Schilf ab. Nicht viel los heute, sonst hätte ich die Bank sicher nicht für mich alleine. Es gibt Früchtetee und einen Kakao-Müsliriegel, bevor ich mich auf den Weg mache, die Burgruine über dem Hopfensee zu stürmen.

Hopfen am See muss ich dazu erst zur Hälfte durchqueren. Das mache ich zwar entlang des Seeufers, aber der sehr touristische Eindruck, den ich von dem Ort gewinne – es reihen sich Gastronomie und Einzelhandel am Ufer auf wie auf einer Perlenkette – beschleunigt ein wenig meinen Schritt. Mitten im Ort geht dann ein ausgewiesener Weg hinauf zur Burgruine Hopfen. Dort oben bin ich alleine und habe eine fabelhafte Sicht über den Hopfensee, die Allgäuer Alpenkette und auch nach Norden ins flache Hinterland. Die Burgruine Hopfen erkunde ich ausgiebig und gönne mir dann noch mal Tee und eine Brotzeit. Wann genau die Burg erbaut wurde ist nicht geklärt. Aber es soll um 1078 erstmals von der Burg über dem Hopfensee berichtet worden sein. Denn der Augsburger Gegenbischof Wigolt hatte sich auf eine „feste Burg“ in diesem Jahr zurückgezogen. 1322 galt die Burg bereits als verfallen und 1990 beauftragte die Stadt Füssen umfangreiche Sanierungsarbeiten an der Anlage. Wie auch immer, die Burgruine Hopfen mag nur noch Grundmauern aufweisen, davon nicht wenige, aber dass sich hier ein Bergfried oder ein Palas nicht mehr dem Himmel entgegen strecken, ist nicht weiter schlimm. Die Aussicht von hier oben ist einfach grandios! Der Abstieg von der Burgruine führt mich durch den sogenannten Bannwald, entlang eines Waldlehrpfads und weiter zum Gehöft am Rohrweiher.

Ein schönes Motiv auch im Winter: Der Hopfensee, dahinter der Säuling (re.) und der Tegelberg (li.). | Hopfensee im Allgäu
Ein schönes Motiv auch im Winter: Der Hopfensee, dahinter der Säuling (re.) und der Tegelberg (li.).

Mir persönliche gefällt der kommende Abschnitt vom Hopfensee nach Hopferau am besten. Mag auch daran liegen, dass die Stimmung im Winter so fabelhaft und mystisch sein kann wie heute. Aber auch zu allen anderen Jahreszeiten wirken sich deren reizvolle Natureindrücke absolut erfüllend auf mich aus. Heute ist es das Spiel von tiefhängenden Winterwolken, die einen verzweifelnden Kampf mit der Sonne ausfechten. Die durchbricht die Wolkendecke in dem Moment, als ich die Autobahn A7 an einer Brücke überquer. Und mit jedem weiteren Meter, den ich auf Hopferau zuhalte, werden die Wolken immer weiter zerpflückt, so dass ich auch bald blauer Himmel zu sehen kann. Bis nach Hopferau wandere ich zwar nur noch über schmale Teerstraßen, die Alpenkulisse in dem stimmungsvollen Lichtspiel ist aber so faszinierend, dass mir das sogar völlig egal ist. In Hopferau angekommen, sehe ich links von mir in einigen hundert Metern Entfernung die Sennerei Lehern – als ob sich ein Kreis schließen möchte. Da ich mich aber nach rechts halte, verschwindet die Käserei in meinem Rücken und ich hab nur noch eines im Sinn: das Schloss Hopferau. Dazu laufe ich die Alpenblickstraße in Hopferau nach Westen entlang und stehe nach ca. 600 Metern vor dem Schloss Hopferau. Ein gelb getünchter Bau mit drei Stockwerken, Satteldach und Stufengiebel, dem ein neugotischer Anbau mit drei Stockwerken und Walmdach angegliedert ist. Eine jede Hausecke des Hauptbaus trägt ein Erkertürmchen. Außer die Nordecke, dort ist der Anbau anstelle des Türmchens mit dem Schlossbau verbunden. Das Schloss Hopferau stammt aus dem Jahr 1469. Der Anbau – Ostflügel – wird 1790 errichtet. Heute ist es ein 4-Sterne-Hotel mit Allgäuer Gastronomie: Sicher gehoben, willkommen ist jeder. Das Schloss Hopferau wurde 2016 vom adfc als fahrradfreundlich zertifiziert. Da ruft doch gleich der Biergarten!

Auf den Spuren von Konrad Zuse

Auf dem Areal des heutigen Parkplatzes von Schloss Hopferau stand in den 1940er Jahren das Mehllager einer Bäckerei. In dessen Keller wurde der sogenannte Z4 aufgebaut und in Betrieb genommen. Der Zuse Z4 gilt heute noch als Grundstein der deutschen Computerindustrie. Aber von vorne: Konrad Zuse, geboren 1910 in Deutsch-Wilmersdorf, einem Ortsteil von Charlottenburg-Wilmersdorf Berlin, studierte an der TU Berlin Maschinenbau, dann Architektur und schließlich Bauingenieurwesen. 1935 schloss er ein Ingenieurstudium mit Diplom ab. Er entwickelte während des zweiten Weltkriegs in den Henschel Flugzeugwerken eine ferngesteuerte Gleitbombe und konnte bereits 1941 ein eigenes Ingenieurbüro mit letztlich 20 Mitarbeitern gründen. Ein Hinweis auf die Wichtigkeit seiner Arbeit – zumindest in den Augen des NS-Regimes. Im Frühjahr 1945 schloss er sich der Gruppe von Wernher von Braun an und so gelang ihm mit seiner Familie die Flucht aus Berlin über Göttingen und schließlich bis ins Allgäu. Genauer gesagt nach Hinterstein, ein Ortsteil von Bad Hindelang. Auf der Flucht ins Allgäu wurde der noch im März 1945 fertiggestellte und auf Relais aufgebauter elektromechanischer Rechner Zuse Z4, mitgeführt und schließlich in dem Keller des Mehllagers einer Bäckerei in Hopferau wieder aufgebaut.

Nach Kriegsende hielt Konrad Zuse seine Familie mit Ölmalerei und Milchabrechnungen für die hiesigen Bauern über Wasser. Doch schon in 1949 spürte Eduard Stiefel, Professor an der ETH Zürich, Zuse in Hopferau auf und ließ sich von ihm den Z4 demonstrieren. Das machte den Z4 anschließend zum ersten funktionsfähigen Computer in Europa und zum ersten kommerziell genutzten Computer weltweit. Auch gründete Konrad Zuse in 1949 mit der Zuse KG das erste deutsch Computerunternehmen, dessen Anteile er allerdings 1964 aufgrund Überschuldung veräußern musste. Seinen Lebensabend verbrachte Konrad Zuse mit seinem Hobby, der Ölmalerei.

Südwestansicht von Schloss Hopferau. | Hopfensee im Allgäu
Südwestansicht von Schloss Hopferau.

Nichts erinnert heute augenscheinlich noch an das Mehllager und den Keller am Schloss Hopferau, in dem ein revolutionäres Wunder der Technik in Betrieb genommen wurde, das schließlich auch dafür verantwortlich ist, dass ich heute diesen Text veröffentlichen kann und ihr ihn hoffentlich bis hier her auch gelesen habt. Was an die Geschichte von Hopferau erinnert ist schließlich das Schloss Hopferau, das ich südlich umrunde. Ich bahne mir den Weg durch den kleinen Schlosspark und treffe auf die Straße Richtung Eisenberg. Kurz nachdem ich Hopferau hinter mir gelassen habe, führt mich eine Unterführung auf die andere Seite der gut befahrenen Straße und zurück in das Wäldchen und schließlich zu der kleinen Holzbrücke, die den Doldener Bach überspannt. Von der Brücke sind es nur noch ca. 15 Minuten und ich steh wieder vor der Wallfahrtskirche in Speiden.

Hier mach ich aber den verdienten Einkehrschwung in das Maria Hilfer Sudhaus: Auch Kössel Bräu genannt, das 1992 von Anton Kössel gegründet wurde. Ein wirklich sehr gemütliches und uriges Brauhaus, das nicht allzu groß ist. Aber es ist sehr gut besucht. Man sollte also nicht ohne Reservierung dort antanzen, wenn man in einer Gruppe die Allgäuer Brauereiküche genießen will. Ich nehme eine kleine Kostprobe des Vollbiers und bin begeistert. In einem Lageranbau kann man auch gleich die Produkte der Brauerei einkaufen. Und damit endet die Tour zum Hopfensee, nach Hopferau und wieder zurück, die man getrost auch als Genusstour im Allgäu bezeichnen kann. Die Tour im Sommer zu gehen hat natürlich den Vorzug, dass man am Hopfensee, unterhalb der Burgruine eine Badepause einlegen kann. Also die Badehose nicht vergessen!

Bilder zur Tour